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Von Weintourismus bis IT-Controlling: Ergebnisse aus Forschungssemestern vorgestellt

19.10.2022 | Papierfabrik
Maren Hille referierte über den Einfluss des UNESCO-Weltkulturerbe-Labels auf die touristische Entwicklung deutscher Kulturstädte.
Maren Hille referierte über den Einfluss des UNESCO-Weltkulturerbe-Labels auf die touristische Entwicklung deutscher Kulturstädte.

„Never Stop (Re)Searching“ nennt sich das Veranstaltungsformat, in dessen Rahmen sich Lehrende und Promovierende aller drei Fachbereiche der Hochschule Harz seit 2019 über die Ergebnisse ihrer Forschungssemester und Dissertationsvorhaben austauschen können. Am 19. Oktober 2022 wurde die Reihe mit einer Abendveranstaltung fortgeführt. Dabei konnte erstmals Prof. Dr. Frieder Stolzenburg als neuer Prorektor für Forschung und Chancengleichheit die 16 Teilnehmenden und vier Vortragende begrüßen, die in angenehmer Atmosphäre und bei leichter kulinarischer Begleitung in der Papierfabrik zusammengekommen waren.

Unter dem Titel „Reisen zum Wein – eine Publikation zum Weintourismus zwischen Reben, Vinotheken und Kultur“ berichtete zunächst Prof. Dr. Axel Dreyer aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften über ein wesentliches Ergebnis seines letzten Forschungssemesters – ein im Uvk-Verlag erschienenes Buch zum Thema Weintourismus. Neben einer Vorstellung der bekanntesten nationalen wie internationalen Weinregionen beschäftigt sich das Werk unter anderem mit Fragen der Weinarchitektur, Erfahrungen mit innerstädtischem Weinanbau und wesentlichen Erfolgsfaktoren von Weingütern und Weinerlebnisreisen. Prof. Dreyers umfangreiche Recherchen deckten darüber hinaus einige Erkenntnislücken auf – so existiert derzeit etwa keine international anerkannte Definition von Weintourismus, so dass entsprechende Statistiken oft auf unterschiedlichen Annahmen basieren. Auch in Daten zu Anbaumengen und -flächen verschiedener Weinsorten finden sich laut Axel Dreyer erhebliche Lücken – hier sieht der Experte für Tourismusmarketing noch einigen Forschungsbedarf.

Der zweite Vortrag des Abends wurde mit Maren Hille von einer Doktorandin am hochschulinternen Institut für Tourismusforschung (ITF) gehalten. In ihrem kooperativen Dissertationsvorhaben setzt sich Hille mit dem Einfluss der UNESCO-Weltkulturerbe-Designation auf die Entwicklung touristischer Kulturstädte auseinander. Das bekannte Label kennzeichnet Kultur- und Naturgüter von außergewöhnlichem Wert und ist unter touristischen Destinationen trotz des hohen Aufwands bei der Beantragung hochbegehrt, gilt es doch als Garant für eine hohe Standortwahrnehmung und Anziehungskraft. Wie aber wirkt sich die Vergabe des Weltkulturerbe-Status wirklich auf eine Destination, den dortigen Tourismus und die Bevölkerung aus? Zur Beantwortung dieser Frage untersucht Maren Hille die Entwicklung von vier noch „jungen“ (Ernennung nach 2010) UNESCO-Weltkulturerbestätten in Deutschland und befragt örtliche Stakeholderinnen und Stakeholder verschiedenster Interessengruppen nach ihren Erfahrungen und Erinnerungen an die Zeit vor und nach dem „Titelgewinn“. In ihrem Vortrag führte sie in Forschungsfragen und Methodenplanung ihrer neben der Hochschule Harz auch an der Leuphana-Universität in Lüneburg betreuten Arbeit ein.

Nach einer kurzen Kaffeepause erfolgte mit dem dritten Vortrag der Wechsel in den technischen Themenbereich. Prof. Dr. Can Adam Albayrak vom Fachbereich Automatisierung und Informatik beleuchtete die Frage, welchen Wert agile Methoden des Projektmanagements wie Kanban und Scrum eigentlich für das IT-Controlling bzw. für die Steuerung von IT-Projekten haben. Während sich agile Methoden in der Softwareentwicklung seit vielen Jahren wachsender Popularität erfreuen, sind sie Prof. Albayrak zufolge im IT-Controlling noch überraschend selten anzutreffen. Mit Hilfe einer Online-Befragung von Fach- und Führungskräften im IT-Bereich konnte er ermitteln, dass nur knapp mehr als ein Drittel aller Verantwortlichen im Bereich des IT-Controllings bereits mit agilen Methoden arbeitet, der Einsatz solcher Methoden aber von mehr als drei Viertel der Befragten – insbesondere mit Blick auf deren Flexibilität – als wünschenswert betrachtet wird. Ein Ergebnis, das dem Experten für Wirtschaftsinformatik zufolge unterstreicht, dass die Diskussion über Bedeutung und Zukunft von „agilem IT-Controlling“ derzeit zwar noch ganz am Anfang steht, aber zunehmend an Fahrt aufnimmt.

Im abschließenden Vortrag präsentierte Narendra Narisetti, Forscher am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben und Doktorand am neuen Promotionszentrum für Ingenieurwissenschaften und Informationstechnologien (IWIT) der Hochschulen Harz, Anhalt und Merseburg von ihm mitentwickelte Bildverarbeitungslösungen für die Phänotypisierung von Pflanzen. So kann etwa das GUI-basierte Softwaretool „DeepShoot“ Seiten- und Draufsichtbilder von in Gewächshäusern gezogenen Trieben mit einer Genauigkeit von 90% sowohl einem Phänotyp als auch einem Entwicklungsstadium zuordnen und so die Auswahl zu kultivierender Pflanzen unterstützen. Hauptteil seines Vortrags war die semi- und vollautomatische Segmentierung strukturell komplexer Bodenwurzelbilder, mit deren Hilfe sich etwa der Einfluss von Klimafaktoren oder molekularen Störungen auf die pflanzliche Entwicklung ermessen lässt. Die zugehörige Software lässt sich auch ohne Vorkenntnisse einsetzen und benötigt je nach Bildgröße nur einige Sekunden für die Datenauswertung.

Im Anschluss an die vier Fachvorträge berichteten die beiden Projektmitarbeiterinnen Grit Lehmann und Julia Streubel vom Projekt weR-InteR noch kurz über die Planungen zur gemeinsam mit der Hochschule Ostfalia organisierten ersten International Research Week, die zwischen dem 2. und dem 5. Mai 2023 an der Hochschule Harz stattfinden soll. Ziel dieser Themenwoche ist es, Forschende der eigenen sowie eingeladener Hochschulen aus dem In- und Ausland über Möglichkeiten der Kooperation zu informieren und Anknüpfungspunkte für zukünftige Projekte zu identifizieren. Interessentinnen und Interessenten können Anregungen und Wünsche zur International Research Week sehr gerne jederzeit beim Projektteam melden.

Veröffentlichungen der Vortragenden zu ihren Forschungssemestern

Dreyer, A. (2021). Reisen zum Wein. Weintourismus zwischen Reben, Vinothek und Kultur. Uvk Verlag. Tübingen. ISBN: 978-3-7398-0151-3.

Rüdiger, J., & Dreyer, A. (2021). The Role of “Straußwirtschaften” (Wine Taverns) in the German Wine Business/Die Rolle der „Straußwirtschaften“ in der deutschen Weinwirtschaft. In Forschung und Praxis an der FH Wien der WKW (S. 133–144). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-33226-6_12

Hille, Maren (2022): Influence of the UNESCO World Heritage designation on the tourism development of German cultural cities. In: ATLAS Annual Conference 2022. Tourism 22 and Beyond - What Matters Now to the Global Tourist? Cork, S. 78–79.

Albayrak, C. A., Gadatsch, A., & Haag, B. (2022). Agiles IT-Controlling. In HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. https://doi.org/10.1365/s40702-022-00837-0

Narisetti, N., Henke, M., Neumann, K., Stolzenburg, F., Altmann, T., & Gladilin, E. (2022). Deep Learning Based Greenhouse Image Segmentation and Shoot Phenotyping (DeepShoot). In Frontiers in Plant Science (Bd. 13). Frontiers Media SA. https://doi.org/10.3389/fpls.2022.906410

Narisetti, N., Henke, M., Seiler, C., Junker, A., Ostermann, J., Altmann, T., & Gladilin, E. (2021). Fully-automated root image analysis (faRIA). In Scientific Reports (Bd. 11, Issue 1). Springer Science and Business Media LLC. https://doi.org/10.1038/s41598-021-95480-y