Forschungsnews

„Niemand kann die Digitalisierung aussitzen“

Sachsen-Anhalts Museen auf dem Weg zur digitalen Strategie

Bereits zum dritten Mal fand am 20. Februar 2019 eine gemeinsame Museumstagung des Museumsverbands Sachsen-Anhalt e.V. und der Hochschule Harz statt. Über 100 Vertreterinnen und Vertreter von Museen, Ministerien, Kommunen, Landkreisen und Verbänden aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen fanden sich im AudiMax der Hochschule ein, um über die Entwicklung ganzheitlicher Digitalisierungsstrategien sowie über die Herausforderungen der digitalen Langzeitarchivierung zu diskutieren.

In seiner Eröffnungsrede forderte Sachsen-Anhalts Kulturstaatssekretär Dr. Gunnar Schellenberger, dass das reichhaltige kulturelle Erbe des Bundeslandes – von Bauhaus über die Himmelsscheibe bis zu Luther – auch digital erschlossen werden müsse, um es international noch bekannter zu machen. Grußworte kamen darüber hinaus von Forschungs-Prorektor Prof. Dr. Georg Westermann als Vertreter des Rektorats der Hochschule Harz und Ulf Dräger als neuem Vorsitzendem des Museumsverbands.

Als Leiter des Landeskompetenzzentrums Mittelstand 4.0 betonte Prof. Dr. Thomas Leich, dass die Museen die Digitalisierung auf Dauer ebenso wenig ignorieren können, wie dies auch Unternehmen unmöglich ist: „Es führt kein Weg mehr zurück in analoge Zeiten“. Den Museen empfahl Leich, nicht zu viele Ressourcen für die Erarbeitung umfangreicher Digitalisierungsstrategien einzusetzen, die bei ihrer Verabschiedung nicht selten bereits wieder überholt sind: „Fangen sie mit kleinen Projekten an, machen sie einen Schritt nach dem anderen und geben sie das Heft des Handelns nicht an externe Berater ab.“ Der Wert kleiner Projekte wurde auch von Dr. Christian Gries betont, der von den Erfahrungen der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern bei der Begleitung von Museen auf dem Weg zur Digitalisierung berichtete. Die Fachstelle konnte seit 2015 bereits 53 Digitalisierungsprojekte anschieben und bietet mit der fabulAPP seit kurzem ein flexibles und didaktisch ausgereiftes Baukasten-System für zeitgemäßes digitales Storytelling in Museen an. Den letzten Vortrag vor der Mittagspause hielt Dr. Katrin Moeller, die Leiterin des Historischen Datenzentrums Sachsen-Anhalt an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die über die Vorteile zentraler Datenrepositorien zur langfristigen Verfügbarmachung von digitalisierten Quellen und Forschungsdaten referierte.

Nach einer kleinen Teilnehmerstärkung in der Mensa berichtete Prof. Daniel Ackermann von den besonderen Herausforderungen bei der Bewahrung des digitalen Alltags von heute für die Museen der Zukunft. Während sich das Alltags- und Freizeitverhalten der 1850er Jahre heute ebenso detailliert nachvollziehen lässt, wie das der 1950er Jahre, stellt sich durchaus die Frage, in welchem Umfang unser hochgradig digitalisierter Alltag in 50 oder 100 Jahren noch nachvollziehbar sein wird. Wie wird man im Museum der Zukunft die mobilen Spiele, die Interaktionen in Sozialen Netzwerken oder die E-Mail-Kommunikation der Gegenwart darstellen – und was muss bereits heute unternmmen werden, um zumindest Teile unserer digitalen Alltagskultur dauerhaft zu bewahren?

Über eine besondere Ehrung durfte sich Dr. Stefan Rohde-Enslin vom Institut für Musuemsforschung in Berlin freuen, der über die Strategien zur Langzeitarchivierung im Projekt museum-digital referierte, und der vom Vorsitzenden des Museumsverbands, Ulf Dräger, für seinen zehnjährigen Einsatz für eine der wohl wichtigsten deutschen Museumsplattformen ausgezeichnet wurde. Allein in Sachsen-Anhalt beteiligen sich derzeit 85 Museen mit mehr als 36.000 digitalisierten Exponaten. Den abschließenden Vortrag hielt Prof. Dr. Matilde Groß, die nicht nur die Ergebnisse der 21-jährigen Zusammenarbeit von Hochschule Harz und Schlossmuseum Wernigerode bei der Befragung von Museumsbesucherinnen und -besuchern in Wernigerode vorstellte, sondern auch einen spannenden Ausblick auf die digitale Museumsbefragung der Zukunft gab.

Aufgrund des großen Zuspruchs wird es voraussichtlich auch 2020 eine gemeinsame Museumstagung von Museumsverband und Hochschule geben. Die Vorträge der aktuellen Tagung sowie einige Schnappschüsse werden in den kommenden Tagen auf der Tagungswebseite ins Netz gestellt. Ein ausführlicher Bericht des Regionalfernsehens Harz (RFH) zur Tagung lässt sich auf YouTube abrufen.