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Hochschule Harz testet Einsatz von VR-Technik in der Lehre

Forschungsprojekt arbeitet Studieninhalte für Virtual-Reality-Anwendungen auf
Der Schauspieler Jonte Volkmann spielte sämtliche Rollen für das Capturing. Fotos: Martin Kreyßig
Der Schauspieler Jonte Volkmann spielte sämtliche Rollen für das Capturing. Fotos: Martin Kreyßig
Ob Gollum aus der „Herr der Ringe“-Trilogie, Lord Voldemort aus der „Harry Potter“-Filmreihe oder, wie jüngst im Kino zu sehen, die Charaktere aus „Avatar“ – sie alle vereint, dass sie mittels Motion-Capture-Verfahren zum Leben erweckt worden sind. Diese Technik ist aber nicht nur bei der Produktion von Blockbustern gefragt. Auch die Hochschule Harz nutzt das Tracking-Verfahren. Erst vor wenigen Tagen schlüpfte Schauspieler Jonte Volkmann in einen Motion-Capture-Anzug, um Szenen für das eng mit der Hochschullehre verknüpfte Forschungsprojekt „DigiLehR“ einzuspielen.

Wie digital sollte die moderne Lehre sein? Dieser Frage geht das Forschungsprojekt „DigiLehR“ an der Hochschule Harz nach. Das Team arbeitet Studieninhalte aus den Bereichen Automatisierung, Vergaberecht und Mediengestaltung für VR-Übungsszenarien auf. Studierende sollen auf diese Weise bereits vermittelten Lernstoff wiederholend und ortsunabhängig üben können.

Studierende werden zu virtuellen Regisseuren und Kameraleuten

Eine dieser Trainingseinheiten wird speziell für den Studiengang Medieninformatik konzipiert. „Im physischen Raum, also in der Realität, haben die Studierenden die notwendigen Kenntnisse bereits von mir gelernt und praktisch angewendet. Wir wollen im Projekt rausfinden, ob sie die Fähigkeiten auch in den virtuellen Raum übertragen können“, erklärt Prof. Martin Kreyßig. Der selbstständige Autor, Regisseur und Kameramann ist gemeinsam mit Prof. Daniel Ackermann für den Anwendungsfall Mediengestaltung zuständig. „Neben einer statischen Interviewszene haben wir auch eine Spielfilmsequenz mit spannungsvoller Handlung erstellt. Um die virtuellen Charaktere – einen Paketboten, ein Opfer und einen Mörder – möglichst realitätsnah darstellen zu können, wurden die Bewegungsabläufe mittels Motion-Capture-Verfahren aufgezeichnet“, sagt er. Die Lippenbewegungen sind bereits zuvor in einem Hamburger Tonstudio digitalisiert worden.

In den kommenden Wochen werden die Daten in die VR-Umgebung übertragen, sodass eine virtuelle Filmszene mit fester Handlung entsteht. Der Clou: Studierende können dann mittels VR-Brille und Controller in die Szene eintauchen und diese mit der virtuellen Kamera aufzeichnen. Dabei können Kamera und Mikrofon frei im Raum positioniert werden. Anschließend wird das aufgezeichnete Bild- und Tonmaterial im Schnitt zu einem Film zusammengesetzt. „Durch die unzähligen Möglichkeiten können die Studierenden sehr viel ausprobieren und dabei lernen, wie unterschiedlich man eine Szene mit exakt gleichen Handlungsabläufen visuell erzählen kann“, verdeutlicht Martin Kreyßig.

Entscheidungsfähigkeit wird in geschützter Umgebung getestet

Im Projekt „DigiLehR“ werden noch zwei weitere Anwendungsfälle für Übungsszenarien in VR-Umgebung umgesetzt. So finden sich Studierende des Fachbereichs Verwaltungswissenschaften nach Start des Programms in einem Besprechungszimmer wieder, um mit Vertretern einer Stadtverwaltung über die Anschaffung einer Spracherkennungssoftware zu diskutieren. Dabei werden während einer geskripteten Besprechung an ausschlaggebenden Punkten des Gesprächs Fragen aufgeworfen. Die Studierenden sollen beispielsweise den Auftragswert schätzen, bei der Wahl der Verfahrensart mitentscheiden und geeignete Zuschlagskriterien bestimmen. Auf diese Weise wird der theoretische Lernstoff so praxis- und realitätsnah wie möglich angewendet.

Virtuell ausprobieren, was in der Realität mitunter Konsequenzen nach sich ziehen könnte, können Studierende auch im Anwendungsfall „Automatisierung“. Im konkreten Szenario gilt es, eine Abfüllanlage in Betrieb zu nehmen und zu bedienen. „Damit Studierende mit der Anlage arbeiten können, müssen sie diese mit ihren typischen Eigenheiten kennen, um sowohl eigene Verletzungen als auch Schäden an der Anlage zu vermeiden. Bei komplexeren Anlagen reicht aber eine einmalige Vorführung meist nicht aus“, verdeutlicht Gesamtprojektleiter Prof. Dr.-Ing. Simon Adler, der als Hochschullehrer am Fachbereich Automatisierung und Informatik für diesen Use Case zuständig ist. „Am virtuellen Modell können die Studierenden den richtigen Umgang mit der Anlage erlernen und üben. Der digitale Zwilling ermöglicht ihnen so eine wesentlich bessere Vorbereitung bei der Arbeit mit der echten Anlage.“

Testphase steht noch bevor

Wie zukunftsfähig die Einbindung der erstellten Szenarien in die Lehre ist, steht erst am Ende des Projekts nach umfangreicher Auswertung fest. Im Anwendungsfall Mediengestaltung sind bereits Mitte Juni erste Vor-Tests erfolgt, im kommenden Wintersemester starten dann alle drei Use Cases in die Testphase. Parallel wird zudem daran gearbeitet, die Anwendung auch außerhalb der Hochschule, z.B. via Smartphone, nutzbar zu machen, um ein ortsunabhängiges und zeitlich flexibles Selbststudium mit wiederholbaren Übungen zu ermöglichen.

Das Projekt „DigiLehR“ wird durch die Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“ von August 2021 bis August 2024 gefördert.