Prof. Dr. André Niedostadek Foto: Tim Bruns

Sich selbst organisieren und motivieren - mit Selbstführung das Leben erfolgreich gestalten

Wer kann mich zu einem glücklichen, gesunden und erfolgreichen Leben führen? Ich selbst! Was sich alles hinter Selbstführung verbirgt und wie jeder die Idee im eigenen Alltag anwenden kann, erklärt Prof. Dr. André Niedostadek im Interview.

Was bedeutet Selbstführung?

Der Begriff Selbstführung ist zugegebenermaßen etwas schwammig. Typischerweise umfasst er insbesondere die Fähigkeit, sich hinsichtlich der eigenen Ziele zu organisieren. Mit dazu gehört zugleich, sich zu motivieren und effektiv zu arbeiten, also dass die Tätigkeiten und Aufgaben, denen man sich zuwendet, auch eine entsprechende Wirkung haben. So gesehen beinhaltet Selbstführung ein ganzes Bündel an verschiedenen Fähigkeiten, um die eigene Arbeitsweise zu entwickeln und das Leben zu gestalten. Und zwar idealerweise so, dass das nicht zu Lasten der Gesundheit geht. Selbstführung ist damit die Mutter des gesunden Erfolgs.

Welche konkreten Facetten hat Selbstführung?

Selbstorganisation und Selbstmotivation klangen ja bereits an. Allein das kann einen schon gut auf Trab halten. Man sollte aber durchaus einen Schritt früher ansetzen und vor allem eine Portion Selbstreflexion mitbringen. Es gilt also, das eigene Tun und Denken immer wieder einmal selbstkritisch zu hinterfragen. Dann lassen sich auch Ansatzpunkte finden, um die Selbstführung weiterzuentwickeln. Die ist ja nicht statisch. Das stärkt übrigens zugleich das Selbstbewusstsein. Den Begriff kann man hier im doppelten Sinne verstehen: Ich werde mir einerseits meiner Stärken und Schwächen im wahrsten Sinne des Wortes selbst bewusst. Ich bekomme also ein konkretes Bild von mir. Und ich werde andererseits auch selbstbewusster im Sinne von selbstsicherer. Das ist auch ein wichtiger Aspekt und für viele oftmals eine Gradwanderung, gerade dann, wenn man sehr selbstkritisch mit sich umgeht. Ein Tipp hier: Lernen, Fehler und Unvollkommenheiten zu akzeptieren. Die sind nämlich völlig normal. Das braucht aber Zeit.  

Darüber, dass Innovation Fehler braucht und wie wir zu einer hilfreichen Fehlerkultur finden können, hat André Niedostadek hier geschrieben:

https://hier-we-go.de/tipps-wissen/innovation-braucht-fehler

Wie viel Selbstführung brauchen das Studium, ein Job oder eine Selbstständigkeit?

In der Selbstführung und der Selbstständigkeit steckt das Selbst ja schon drin, sodass das definitiv zusammengehört. Und im Studium gilt auch nichts anderes. Da gibt es ja neben dem Kontaktstudium in Vorlesungen und Seminaren auch das Selbststudium. Selbstführung ist damit in allen Bereichen grundlegend, teils sogar existenziell. Ihnen sagt ja gerade bei einer Selbstständigkeit niemand, was sie wie zu tun und zu lassen haben. Und Zeit für die Familie, Freunde und Hobbys soll obendrein auch nicht zu kurz kommen. Da muss man in gewisser Weise mit mehreren Bällen jonglieren. Das kann eine echte Herausforderung sein.

Was in diesem Zusammenhang manchmal zu kurz kommt, aber immens wichtig ist, für alle, die arbeiten und studieren: Man nimmt gedanklich immer etwas aus dem Job mit nach Hause. Und umgekehrt auch Privates mit in den Job oder an die Hochschule, was übrigens vielen Arbeitgebern mit Blick auf die Beschäftigten gar nicht bewusst zu sein scheint. Überlegungen zum Gleichgewicht von Arbeit und Privatem, also Work-Life-Balance, helfen da meines Erachtens nur bedingt. Das lässt sich gar nicht nicht so klar trennen. Man mutiert ja nicht plötzlich. Umgekehrt ist es meiner Meinung nach aber auch nicht das Ei des Kolumbus, beides zu verbinden im Sinne von Work-Life-Integration. Ich jedenfalls brauche durchaus auch einen gewissen Abstand, um aufzutanken. Einfacher scheint es mir, hier nicht irgendwelchen Hypes nachzueifern oder sich irgendetwas vorgaukeln zu lassen, sondern möglichst einen eigenen Weg zu finden. Und damit ist man dann statt Work-Life-Dies-Und-Das wieder beim Thema Selbstführung.

In welcher Situation ist Selbstführung vor allem gefragt?

Im Grunde genommen permanent. Aber gerade dann, wenn es mal nicht so gut läuft, braucht es schon eine gehörige Portion Disziplin, um motiviert und produktiv zu bleiben. Ich kenne ich aus eigener Erfahrung nur zu gut. Mein Tipp dazu heißt dranbleiben und sich wirklich auf die wichtigsten Aufgaben konzentrieren. Die wichtigste Aufgabe bei einer Selbstständigkeit ist in aller Regel, dafür zu sorgen, dass das Geschäft läuft und die Kasse klingelt. Was dafür konkret erforderlich ist, kann natürlich unterschiedlich aussehen. Wenn ich solo tätig bin, werden die Aufgaben andere sein, als wenn die Selbstständigkeit in der Verantwortung für ein Unternehmen mit mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht. Unter dem Blickwinkel der Selbstführung gibt es aber Verbindendes: Prioritäten setzen und Zeit sowie Ressourcen effektiv nutzen. In anderen Jobs oder auch im Studium gilt Vergleichbares.

Welche Eigenschaften sollte man als Self-Leader mitbringen?

Einige wesentliche Eigenschaften lassen sich vielleicht ja schon aus dem Vorhergenannten herauslesen. Das Problem bei alledem: Begriffe wie Selbstmotivation oder auch Selbstreflexion, klingen alle schön und gut. Aber im Klein-Klein des Tagesgeschäfts ist das alles ratzfatz wieder aus dem Gesichtsfeld verschwunden. Dabei ist gerade die Selbstführung ja die Basis von wirklich allem. Mag eine Idee, die man umsetzen möchte, auch noch so gut sein - wer zentrale Aspekte der Selbstführung nicht beherzigt, bleibt leicht auf der Strecke. Wer sich eine nachdrückliche Eselsbrücke bauen möchte und wem das nicht zu drastisch ist, kann es mit Selbst-„MORD“ versuchen: Motivation, Organisation, Reflexion und Disziplin. Klingt zu hart? Mag sein, aber es immerhin geht um das eigene Selbst und die persönliche Zukunft.

Wie entwickelt man den Führungsstil für sich selbst?

Selbstführung ist nichts, was einem fix und fertig in die Wiege gelegt wird. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Wir können Selbstführung tatsächlich weiterentwickeln, wenn wir das wollen. Auch wenn es dazu keine vorgefertigten Patentrezepte gibt. Dafür sind wir alle zu unterschiedliche Persönlichkeiten, die von unterschiedlichen Erfahrungen geprägt sind.

Und dennoch gibt es so etwas wie einen zweckmäßigen Fahrplan. Alles beginnt mit einer Ist-Aufnahme, also der Reflexion: Wo stehe ich? Was kann ich mit Blick auf die Selbstführung ganz gut? Vielleicht mich selbst motivieren. Und wo möchte ich mich konkret verbessern? Gerade diese letzte Frage bringt einen weiter. Dazu ein paar Beispiele: Wenn man etwa feststellt, disziplinierter und fokussierter arbeiten zu wollen, dann lassen sich dafür leicht Strategien entwickeln. Ich könnte beim fokussierten Arbeiten einmal so etwas wie die Pomodoro-Technik ausprobieren: Eine Eieruhr auf 25 Minuten stellen und dann konzentrierte Arbeit an einer Aufgabe. Kein zwischenzeitlicher Blick auf das Handy. Auch nicht ein kurzer!

Oder vielleicht wollen Sie das Thema Leichtigkeit für sich als Teil der Selbstführung entwickeln? Selbstführung soll keine Last sein, sondern darf sich durchaus leicht anfühlen. Was übrigens wieder motivieren kann. Was kann man hier tun? Beispielsweise sich in Achtsamkeit üben, so dass die Gedanken nicht ständig wie ein Satellit um Vergangenes oder Zukünftiges kreisen. Oder Sie erlauben sich, etwas zu tun, das Sie bewusst glücklich macht. Oder vielleicht visualisieren Sie einmal Aspekte Ihrer Arbeit, die Sie positiv stimmen. Tun Sie eins davon wirklich. Immer wieder! So kann man sich Schritt für Schritt weiterentwickeln.

Mein Tipp hier: Machen Sie es nicht zu kompliziert. Auch mit der Selbstführung kann man es nämlich übertreiben. Drehen Sie nicht gleich das große Rad der permanenten Selbstoptimierung. Es ist viel wirksamer, sich zunächst punktuell auf einen wichtigen Aspekt zu konzentrieren, der einen wirklich weiterbringen kann. Vielleicht ist es Prioritäten setzen? Ich beichte an dieser Stelle einmal: Ich muss mir selbst beispielsweise immer wieder vergegenwärtigen, mich nicht zu verzetteln. Wirklich wahr! Ich habe derart viele Ideen, dass ich mich einfach zügeln muss. Das fällt mir nicht immer leicht. Aber man kann nun mal nicht auf allen Hochzeiten tanzen. 

Wie sieht optimale Selbstführung aus?

Wie schon erwähnt, gibt es keine einheitliche Definition oder ein allgemeingültiges Konzept einer optimalen Selbstführung. Das ist im Detail höchst individuell und abhängig von der eigenen Persönlichkeit, den angestrebten Zielen und auch den Lebensumständen. Hier führen durchaus viele Wege nach Rom, wie man so sagt. Was bei der einen funktioniert, muss bei dem anderen noch lange nicht klappen. Das hat auch etwas Gutes: Sie brauchen sich nicht unter Druck setzen zu lassen, nur weil Sie vielleicht erkennen, anders zu „ticken“. Ausprobieren und anpassen heißt die Devise!

An welchen Warnsignalen erkenne ich, dass ein Self-Leadership-Kurswechsel notwendig ist?

Ich glaube, das spürt man. Wenn Sie gerne vorankommen möchten, aber es irgendwie hakt, dann kann das auch an Selbstführung liegen. Bin ich vielleicht doch nicht so recht motiviert, um meine Komfortzone zu verlassen und mich angedachten neuen Herausforderungen zu stellen? Bin ich unzufrieden mit dem was ich tue und wie ich es tue? Ein anderes Warnzeichen können eine länger wahrgenommene Überforderung sein oder Stress, der einen hemmt. Negative gesundheitliche Auswirkungen können natürlich ebenfalls ein Warnsignal sein. Das muss nicht alles mit Selbstführung zusammenhängen. Aber das kann der Fall sein und es lohnt sich zumindest, einmal darüber nachzudenken. Solche Warnsignale wahrzunehmen ist ja auch eine Form der Selbstreflexion. Und damit schließt sich wieder der Kreis.

Über André Niedostadek

Prof. Dr. André Niedostadek pendelt zwischen verschiedenen Welten als Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht am Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz und vielseitiger Autor.

Er hat nicht nur mehrere Werke in der "... für Dummies-Reihe" verfasst sondern auch den beliebten Reiseführer "Glücksorte im Harz", der bereits in der 4. Auflage vorliegt. Ganz neu erschienen ist "Harz - Das Heimat-Quiz".

Im SPIEGEL berichtet er regelmäßig unterhaltsam und verständlich über Aspekte des Arbeitsrechts, zuletzt ging es um Überstunden.

 

* Die Univations GmbH ist ein Insititut der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit Fokus auf Entrepreneurship, Innovationmanagement sowie Wissens- und Technologietransfer.

26.04.2023
Author: Anne Breitsprecher/Univations GmbH
Image author: © Tim Bruns
Image rights: © Hochschule Harz

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Prof. Dr. André Niedostadek

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