NWK-Preisträgerin der Hochschule Harz erforscht Entwicklung von UNESCO-Welterbestätten

Promovendin Maren Hille legt Fokus ihrer Doktorarbeit auf den Kulturtourismus

Ob imposantes Gebäude, geschichtsträchtige Stätte oder beeindruckende Naturlandschaft – Sehenswürdigkeiten sind ein wirksamer Touristenmagnet. 1.157 dieser Orte wurden von der UNESCO sogar als besonders beschützenswert eingestuft und als Welterbestätte ausgezeichnet. Doch was bedeutet das Label für die jeweilige Stadt oder Region? Wie können diese davon profitieren? Und sind mit der Auszeichnung wirklich nur positive Entwicklungen verbunden? Diesen Fragen geht Maren Hille in ihrer Doktorarbeit nach. Die 31-Jährige promoviert an der Hochschule Harz kooperativ mit der Leuphana Universität Lüneburg. Für ihren Forschungsansatz erhielt sie Anfang Juni einen Preis im Rahmen der 23. Nachwuchswissenschaftler*innenkonferenz (NWK).

Reiselust verbindet Privatleben und akademische Laufbahn

„In Europa bin ich schon sehr viel gereist und kenne eine Vielzahl der Länder“, verrät Maren Hille. Und dass ihre Lieblingsländer Italien und Frankreich seien. „Hier gibt es auch sehr viele UNESCO-Welterbestätten. Das Bereisen dieser Orte ist immer wieder schön. Sie sind wirklich sehens- und schützenswert.“ Als die Suche nach einem Promotionsthema begann, sei ihr sehr schnell klar gewesen, dass sie zu diesem Schwerpunkt forschen möchte. Die fachlichen Grundlagen hat sie mit ihrem Studium an der Hochschule Harz in den Fachrichtungen Tourismusmanagement sowie Tourism and Destination Management gelegt. Zudem lehrt sie derzeit u.a. in den Fachgebieten Destinationsmanagement und Tourismusmarketing an der Hochschule Harz.

Ihre Forschungsfrage liege in einem interessanten Spannungsfeld. „Einerseits vergibt die UNESCO den Titel, um die jeweiligen Orte langfristig zu schützen. Durch die Auszeichnung ziehen die Destinationen, also touristischen Regionen, aber meist auch mehr Gäste an und können von den Einnahmen profitieren“, erklärt Maren Hille. „Das birgt aber auch die Gefahr eines Massentourismus, der die Welterbestätten schädigen kann. Somit entsteht ein Widerspruch.“ Eine rein quantitative Betrachtung habe sie für ihre Arbeit dennoch ausgeschlossen. „Ich hätte einfach schauen können, wie stark die Übernachtungszahlen nach Vergabe des Labels zugenommen haben und ob die und ob die Aufenthaltsdauer gestiegen ist – vereinfacht gesagt: Gäste, die länger bleiben, geben vor Ort auch mehr Geld aus, was zu mehr Wertschöpfung führt“, verdeutlicht sie. Dieser Ansatz ging ihr aber nicht tief genug. „Mich interessiert, welche Entwicklung die Destinationen im Zuge der Auszeichnung gemacht haben. Ich möchte das Thema inhaltlich betrachten, nicht nur auf Basis von Zahlen.“

Vier deutsche Welterbestätten im Fokus

Dafür hat sie sich auf vier deutsche Welterbestätten konzentriert, deren Auszeichnungen in den Zeitraum 2011 bis 2014 fallen. „Diesen habe ich gewählt, damit ich einerseits Menschen finde, die mir noch aussagekräftig von den Bedingungen vor der Labelvergabe berichten können, und andererseits genug Zeit vergangen ist, damit die Destination auch einen merklichen Veränderungsprozess erlebt haben kann“, erklärt die Promovendin. Zudem bilden die Welterbestätten in Niedersachsen, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen sowohl örtlich als auch inhaltlich ein weites Spektrum ab.

Das Fagus-Werk in Alfeld, eine 1911 erbaute Schuhleistenfabrik, ist das Erstlingswerk von Walther Gropius und wurde funktionalistisch aus Glas und Stahl konstruiert. „Dagegen beeindruckt das Markgräfliches Opernhaus in Bayreuth durch sein rund 275 Jahre altes, original erhaltenes Logenhaus mit dekorativen Elementen“, zeigt Maren Hille den Kontrast auf. Im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel kann ein rund 300 Jahre altes und noch heute ohne Pumpen funktionierendes Wassersystem bestaunt werden und das Karolingisches Westwerk und Civitas Corvey in Höxter hat sich vom Benediktinerkloster zu einem politischen Zentrum entwickelt. „Diese inhaltliche Vielfalt hat mich sehr angesprochen.“

Bis auf das Opernhaus in Bayreuth habe sie alle Orte bereits besucht. „Ich habe mir die Welterbestätten, aber auch die jeweiligen Städte angesehen, um mir einen Eindruck zu verschaffen. Zudem habe ich die Reisen genutzt, um mögliche Interviewpartner ausfindig zu machen“, sagt Maren Hille. Denn ihre Untersuchung will sie auf 20 qualitative Interviews stützen, je fünf pro Stadt. „Das werden Personen sein, die auf touristischer Ebene im Destinationsmarketing oder Attraktivitätsmangement sowie auf stadtpolitischer Ebene im Denkmalschutz aktiv sind. Damit sind auch die drei Hauptintentionen der UNESCO – Marketing, Schutz und Entwicklung – abgedeckt.“

Untersuchung könnte weitere Städte zur Bewerbung motivieren

Im Detail möchte die Promovendin mittels eines ca. 20 Fragen umfassenden Katalogs herausfinden, wie sich das touristische Angebot, zum Beispiel in Form von Führungen oder ausgewiesenen Kulturrouten, entwickelt hat, ob sich das Marketing auf den Kulturtourismus spezialisiert hat und wie das Label in Marketingaktivitäten eingebunden wird. Einen weiteren Fokus legt sie auf die Frage, ob durch die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste neue Kooperationen, beispielsweise in lokalen oder überregionalen Netzwerken, entstanden sind. Auch einen möglichen Ausbau der Infrastruktur möchte sie in den Blick nehmen.

„Aus diesen Aspekten versuche ich abzuleiten, ob sich die Destinationen positiv entwickelt haben. Wenn das der Fall ist, könnte dies andere deutsche Städte dazu inspirieren, den sehr mühseligen und bis zu zehn Jahre dauernden Prozess zur Aufnahme als UNESCO-Welterbestätte zu wagen“, beschreibt Maren Hille ihren Ansporn. Für Einzelfälle im Ausland gebe es solche Auswertungen bereits. „In Deutschland wurden auch einige Einzelfälle betrachtet, jedoch haben diese nicht immer einen touristischen Fokus oder ziehen keine Vergleiche zwischen verschiedenen Welterbestätten. Diese vielfältigen Aspekte berücksichtige ich dagegen in meiner Untersuchung.“

Zukunftspläne zwischen Berufspraxis, Lehre und Forschung

In den kommenden Monaten will Maren Hille die Interviews führen, dann folgt die Analyse. „Ich hoffe, dass ich spätestens in einem Jahr die Promotion abgeschlossen haben werde“, sagt sie. Einen Plan für die Zeit danach habe sie bereits. „Ich möchte gern im Kulturtourismus tätig sein, vielleicht im Stadtmarketing oder Welterbemanagement“, blickt sie voraus. „Das wäre allerdings nur vorübergehend, um praktische Erfahrungen zu sammeln. Langfristig gesehen möchte ich gern wieder an eine Hochschule für angewandte Wissenschaften zurück. Die Verbindung von Lehre und Forschung finde ich einfach stark. Das macht mir sehr viel Spaß.“

20.07.2023
Author: Karoline Klimek
Image author: © Karoline Klimek, Maren Hille
Image rights: © Hochschule Harz

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