Die ehemalige Ministerin für Gleichstellung und Justiz des Landes Sachsen-Anhalt Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen vor grünem Hintergrund auf einer Treppe des Standortes Halberstadt

„Politik sollte kein Beruf für das ganze Leben sein“

Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen im Interview

Nach verschiedenen Amtszeiten als Ministerin der Justiz, Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt sowie als Abgeordnete des Landtages ist Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen nach 15 Jahren zurück am Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz. Die ehemalige Dekanin und Professorin für Verwaltungsrecht wirkte in vielen bedeutsamen politischen Gremien wie dem Bundesrat mit. Wertvolle Erfahrungen aus der Politik, die sie seit dem Sommersemester 2021 an Studierende weitergibt. 

Was sind die wichtigsten Stationen Ihres bisherigen Werdegangs?

Ich würde mich als typisches Wendekind bezeichnen. Nach meinem Staatsexamen 1986 war es mein Wunsch, Hochschullehrerin zu werden. Damals hatte ich gerade mein Studium des Wirtschaftsrechts abgeschlossen und begann die Arbeit an meiner Promotion, die ich im Februar 1990 an der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg verteidigte. Eigentlich wollte ich eine Habilitation am Institut für Internationale Studien an der Universität Leipzig anschließen. Jedoch wurde das Institut im Zuge der Wende abgewickelt. 

Ich ging dann in die Verwaltung – eine sehr spannende Tätigkeit zu dieser Zeit. Vieles war im Aufbau und es gab sehr viel Flexibilität. So übernahm ich ab 1991 verschiedene Leitungsfunktionen im Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen, bevor ich 1999 zur Professorin für Verwaltungsrecht am Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Hochschule Harz in Halberstadt berufen wurde. Dort war ich von Oktober 1999 bis März 2004 Prodekanin und von April 2005 bis Februar 2006 Dekanin des Fachbereichs. 

Bis 2011 war ich Ministerin der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt. In der anschließenden Amtszeit bis 2016 dann Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Für mich war jedoch immer klar, dass Politik kein Beruf für das ganze Leben sein sollte und von Anfang an habe ich gesagt, dass ich an die Hochschule zurückkehren möchte. In diesem Sommersemester war es nach einer weiteren Amtszeit als Mitglied des Landtages des Landes Sachsen-Anhalt schließlich soweit und ich freue mich sehr, dass ich meine Erfahrung in meine Lehrveranstaltungen einbringen kann.

In Bezug auf Ihren Berufsweg – was hat Sie am meisten geprägt?

Es gibt sehr viele Aspekte, die mich geprägt haben. Als Ministerin war ich Chefin von über 6.000 Mitarbeiter:innen und habe einen modernen Führungsstil mit aktiver Beteiligung  der Beschäftigten umgesetzt. Auch Politik als mehrdimensionalen Prozess der Entscheidungsfindung zu erleben und zu sehen, wie Vereinbarungen aus den Koalitionsverhandlungen im Detail umgesetzt werden konnten, war sehr spannend.  Als Ministerin war ich Mitglied im Bundesrat und an der Initiative zur Einführung von Quoten für Frauen in Führungspositionen beteiligt. Wir können nicht nur über Gleichstellung reden, wir müssen etwas tun.

Als Justizministerin habe ich auch versucht, in die Gesellschaft hineinzuwirken. Gemeinsam mit Kolleg:innen in der Justiz wurde die Ausstellung „Im Namen des Volkes – Justiz im Nationalso­zialismus" konzipiert. Sie zeigt, was passiert, wenn das Recht außer Kraft gesetzt wird. Dabei wurden zunächst an den vier Standorten der Landgerichte und des Oberlandesgerichts aufgearbeitet, was dort geschehen ist. Die Rolle der Justiz im Nationalsozialismus und die Verbrechen, die in diesem Zusammenhang geschehen sind, sollen in Erinnerung bleiben. In Stendal ist damals ein Theaterstück zu diesem Projekt entstanden, Schüler:innen führten andere Gleichaltrige durch die Ausstellung und gingen mit Hilfe von Dokumenten und Bildern der Frage nach: Wie konnte das passieren? In der heutigen Zeit ist es besonders wichtig, dass wir uns die Bedeutung von Recht und der grundlegenden Werte bewusst machen. Demokratie muss jeden Tag verteidigt werden.

Für welches Forschungsgebiet interessieren Sie sich besonders?

Am Fachbereich Verwaltungswissenschaften habe ich den Studiengang Europäisches Verwaltungsmanagement aufgebaut. Der Fachbereich brauchte aus meiner Sicht unbedingt eine europäische Dimension, die sich in der Ausrichtung seiner Studiengänge widerspiegelt. Damals habe ich erlebt, wie die ersten Studierende aus den Auslandssemestern zurückgekommen sind – immer sehr positiv verändert. Aktuell lehre ich in diesem Studiengang wieder in zwei Lehrveranstaltungen.


Zudem erachte ich die Bekämpfung von Antisemitismus auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung als sehr wichtig. Im Rahmen eines semesterübergreifenden Projekts besteht eine Kooperation mit der Moses-Mendelssohn-Akademie. Studierende sollen sich mit dem Thema „Antisemitismus“ auseinandersetzen und für unterschiedliche Verwaltungsbereiche Strategien entwickeln, um die Beschäftigten stärker zu sensibilisieren. Aber auch die europäische Gleichstellungsstrategie interessiert mich als Forschungsgebiet sehr.

Warum haben Sie sich entschieden, erneut eine Lehrtätigkeit am Fachbereich Verwaltungswissenschaften auszuüben?

Ich habe nach der Wahl 2016 gesagt, dass es meine letzte Legislatur sein wird und ich an die Hochschule Harz zurückkehren werde – in meinen Wunschberuf als Hochschullehrerin. Besonders freut es mich, dass ich den Studierenden ganz praktische Erfahrungen aus der Politik mitgeben kann. 

Aber auch bereits bestehende Kooperationen des Fachbereichs möchte ich weiterverfolgen. Gemeinsam mit der Gedenkstätte für die Opfer des Konzentrationslagers Langenstein-Zwieberge werden wir im kommenden Jahr im Rahmen der Tage der Erinnerung eine Halberstädter VorLesung mit dem Schriftsteller, Diplomaten und Journalisten Ivan Ivanji erleben. Er war der Autor der ersten Halberstädter VorLesung vor 24 Jahren und wird am 11. April 2022 aus seinem neuen Buch „Corona in Buchenwald“ lesen.
 

Welchen Ratschlag können Sie Studierenden für die Zukunft mit auf den Weg geben?

Seien Sie immer neugierig und nehmen Sie die Angebote an, die wir Ihnen im Rahmen Ihres Studiums unterbreiten – auch die freiwilligen. Sie haben so die Möglichkeit, sich auszuprobieren, neue Projekte, Themen und Menschen kennenzulernen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln.

18.01.2022
Author: Mandy Ebers
Image author: © Tim Bruns
Image rights: © Hochschule Harz

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Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen

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