Wirtschaftspsychologie-Absolventin wagt Sprung in die Selbstständigkeit
Das Licht bricht sich hoch oben in den Blättern der Baumwipfel im Blankenburger Wald. Zu sehen ist das in dem kleinen Spiegel, den sich jeder der Spazierenden unter die Nase hält, er beschlägt leicht vom Atem. Ein kleines Hilfsmittel für einen großen Blickwechsel. „Waldbaden ist etwas anderes als Wandern“, erklärt Kursleiterin Christin Rothe. „Verlangsame. Verbinde. Verwurzele dich neu.“, steht auf ihrer Website. „Und genau darum geht es mir“, sagt die 39-Jährige. Im Mai 2025 hat sie sich einen langgehegten Traum erfüllt und den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt: „Ich will Menschen helfen, Ruhe, Klarheit und Balance in einer lauten Welt zu finden.“
Nach ihrem erfolgreichen Studium der Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Harz und neben dem Masterstudium in Erwachsenenbildung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, war Christin Rothe lange in verschiedenen Rollen auf dem Wernigeröder Campus tätig. Zuletzt hat sie im Rahmen eines Hochschulprojektes einen Gründungsleitfaden entwickelt, der Studierenden und Mitarbeitenden beim Schritt ins Unternehmertum hilft. Selbst Unternehmerin zu werden, war lange in ihrem Hinterkopf – die Entscheidung fiel, als sie „vor ein paar Jahren vom Leben ordentlich durchgeschüttelt wurde“. Eine schwere Erkrankung zwang sie, den Pause-Knopf zu drücken – beruflich, körperlich und seelisch. „Ich hatte keine Wahl: Ich musste zur Ruhe kommen. Meine größte Lehrerin war dabei die Natur. Im Wald habe ich begonnen, wieder zu atmen. Ich habe gelauscht, gerochen, gefühlt – und gespürt, wie viel Kraft in der Stille liegt“, berichtet sie. Dort wurde ihr auch klar: Gesundheit ist eine kostbare Pflanze. Sie wächst nicht von allein. Sie braucht Licht, Zeit und vor allem liebevolle Pflege. „Diese Erfahrung war für mich transformierend. Aus ihr heraus ist mein Unternehmen ‚farnfunken‘ entstanden. Heute begleite ich andere auf diesem Weg. Nicht, weil ich ein fertiges Konzept habe – sondern weil ich selbst weiß, wie es ist, sich in einer lauten Welt, die sich immer schneller dreht, neu zu orientieren. Und weil ich überzeugt bin: Die Natur und das Leben wissen oft den Weg, bevor wir ihn kennen.“
Als passionierte Akademikerin ist ihr dabei ein wissenschaftliches Fundament wichtig: „Waldbaden ist weder Hokuspokus noch Social-Media-Illusion“, betont Rothe, die nicht nur zertifizierte medizinisch-therapeutische Wald- und Naturgesundheitstrainerin, sondern auch Trainerin für Digitale Balance und gesundes Stressmanagement sowie Visualisierungstechniken ist. Und tatsächlich: Zahlreiche Studien belegen, dass regelmäßige Aufenthalte im Wald das Stresshormon Cortisol senken, das Immunsystem stärken und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen können. Auch die Psyche profitiert: Blutdruck und Puls beruhigen sich, Schlafqualität und Konzentrationsfähigkeit verbessern sich messbar, depressive Symptome und Angstgefühle nehmen ab. „Im Wald aktiviert unser Nervensystem den Parasympathikus – den Ruhemodus – und wir kommen zurück in die Balance“, erklärt die Kursleiterin.
Dass ihr Ansatz gesellschaftlich und ökologisch Relevanz hat, zeigt sich auch in der Zusammenarbeit mit der Future Forest Initiative aus Blankenburg – einem interdisziplinären Netzwerk, das sich für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Waldentwicklung einsetzt. Beim diesjährigen Future Forest Forum Anfang September wird Christin Rothe nicht nur Teil eines Panels sein, sie leitet auch einen eigenen Waldbaden-Workshop. Unter dem Titel „Resiliente Wälder – resiliente Menschen: Forstwirtschaft trifft Gesundheit“ beleuchtet sie gemeinsam mit weiteren Experten, wie Wälder gleichermaßen gesunde Ökosysteme, wirtschaftliche Ressource und heilende Räume sein können. Ihr Fokus liegt dabei auf der wissenschaftlich fundierten Wirkung von Naturaufenthalten auf Stressreduktion und psychische Gesundheit – und darauf, wie der Wald zu einem aktiven Mitgestalter von Wohlbefinden werden kann. Gerade im Harz, wo Wald, Wissenschaft und Wandel so nah beieinander liegen, zeigt sich: Die großen Zukunftsfragen lassen sich nur gemeinsam und über Fachgrenzen hinweg beantworten.
06.08.2025
Author: Janet Anders
Image author: © Bild 1 - Julia Angelov; Bild 2-4 - Karoline Klimek
Image rights: © Christin Rothe