Out of the Box oder die Quadratur des Kreises

Australische Expertin erklärt regenerativen Tourismus

Auch im Sommersemester 2024 hat das Institut für Tourismusforschung (ITF) für Studierende im Masterkurs Tourism and Destination Management eine Reihe über regenerativen Tourismus initiiert. In drei Online- und zwei Präsenzseminaren vermittelte die in Wahl-Australierin Nadine Schmidt Rojas den Master-Studierenden ein Konzept, das über nachhaltiges Wirtschaften hinausgeht.

Was bedeutet regenerativer Tourismus?

#paradigmshift, #mindsetchange und #connectedtonature – diese drei Hashtags skizzieren nicht nur die Denkweise und innere Einstellung von Nadine Schmidt Rojas, sie bilden gleichzeitig die Essenz des Konzepts des regenerativen Tourismus. Die Übereinstimmung ist sicherlich kein Zufall, denn das Konzept ist als transformativer Ansatz zu verstehen, der über Nachhaltigkeit hinausgeht und ein sogenanntes Living Systems Thinking voraussetzt, also ein ganzheitliches Verständnis von lebendigen bzw. dynamischen Systemen. Der Status quo soll also auf eine positive Art herausgefordert werden.

Da das Konzept zu Beginn nicht nur komplex klingt, sondern offenbar auch ist, war die erste „Hausaufgabe“ der Studierenden, sich ein klares Bild über eine einschlägige Online-Recherche zu verschaffen. Darauf aufbauend wurden internationale Beispiele aus der Tourismuswirtschaft recherchiert, die bereits regenerative Ansätze anwenden. Im Suchergebnis fanden sich unter anderem der Entwicklungsplan der Destination Lake Wanaka und Queenstown in Neuseeland, die Nachhaltigkeitskonzepte eines Hotels in Griechenland und das eines Reiseveranstalters aus Kolumbien, berichtet Schmidt Rojas.

Gefragt nach einer Begriffsklärung, hebt sie zunächst hervor, dass das Konzept von Regeneration bereits seit Jahrtausenden existiert – nämlich in der Weltanschauung von Naturvölkern. In der Wissenschaft gibt es für den Begriff „regenerativer Tourismus“ jedoch (noch) keine offizielle Definition. In Abgrenzung zum Konzept der Nachhaltigkeit, das darauf abzielt, die für ein (Öko-) System schädlichen Einflüsse menschlicher Aktivität zu reduzieren, bezieht sich das Konzept auf ganzheitliche (Denk-) Ansätze und Aktivitäten, bei denen Beschädigtes wiederhergestellt und im Zuge der wirtschaftlichen Aktivität, bzw. konkret durch die touristische Nutzung, mehr verbleibt als entnommen wird. Ein regenerativer Tourismus stelle zudem die lokale Gemeinschaft und deren natürliche Umgebung an den Beginn und ins Zentrum aller Überlegungen, so Schmidt Rojas weiter.

Implementierung in die Praxis

Für touristische Unternehmen wie Hotelbetriebe oder Reiseveranstalter, die einen regenerativen Ansatz verfolgen, bedeute dies unter anderem, dass sie in ihrer Bewertung von Wertschöpfung nicht nur quantitative bzw. monetäre Kennzahlen berücksichtigen, sondern auch qualitative Aspekte wie die ökologische Integrität des Ortes, die Lebensqualität von Personal und lokaler Bevölkerung oder die Authentizität des Angebotes, in die Planung und Umsetzung ihrer Wirtschaftsaktivitäten einbeziehen. Ziel ist es, eine Verbesserung für touristisch eingebundene Orte und Gemeinschaften zu bewirken, insbesondere für jene, die durch „konventionellen“ Tourismus beschädigt oder degeneriert wurden. Statt extraktiv zu agieren und die Umweltgüter oder Kultur zu vermarkten, soll sowohl dem touristisch genutzten Ökosystem als auch der Gesellschaft ein Zuwachs an Vorteilen entstehen.

Das klingt wie die Quadratur des Kreises – und wahrscheinlich ist es das stellenweise auch. Daher war das Denken „out of the box“ ein wichtiger Bestandteil der Lehrveranstaltung. Denn frei nach Einstein, lassen sich Probleme und Herausforderungen nicht mit den gleichen Denkmustern lösen, durch die sie hervorgerufen wurden. Während der Lehrveranstaltung vermittelte Schmidt Rojas den zukünftigen Masterabsolventen, dass es im Verständnis eines regenerativen Tourismus weniger der linearen, auf einzelne Aspekte fokussierten Analyse bedarf, sondern einer ganzheitlichen, systemischen und naturbezogenen Betrachtung, welche die Gesamtzusammenhänge und Wechselwirkungen, mithin das Verständnis um die Funktionsweise eines Systems in den Vordergrund stellt.

Ein wichtiger Teil der Veranstaltung beinhaltete den Transfer von der Theorie in die Praxis. Am Beispiel der Destination Harz entwickelten die Changemaker in spe ein Ideenbündel, wie sich mithilfe eines regenerativen Ansatzes nicht nur die negativen Wirkungen einer weitgehend konventionell gemanagten Destination beheben ließen, sondern wie der Tourismus darüber hinaus einen netto-positiv-Effekt für Umwelt und Gesellschaft erzielen kann. Das Konzept wurde zum Abschluss einer Vertreterin des Harzer Tourismusverbandes (HTV) präsentiert.

Zukunftsperspektiven

Ob es eine Fortsetzung der Lehrveranstaltung im kommenden Sommersemester 2025 geben wird? Die Antwort von Nadine Schmidt Rojas spricht für sich: „Bisher ist das Thema regenerative Entwicklung im Tourismus in Deutschland noch nicht sehr vertreten. Daher ist es eine erfüllende Aufgabe, der nächsten Generation angehender Führungskräfte im Tourismus diesen Ansatz näherzubringen.“

Interesse für ein Tourismusstudium geweckt?

Die Bewerbung für das Wintersemester ist für den Bachelor-Studiengang Tourismusmanagement (auch dual) und für den Master-Studiengang Tourism and Destination Management bis zum 31. August 2024 möglich!

Weitere Informationen und das Online-Bewerbungsformular findest du hier!

20.08.2024
Author: Frank Schories / Cindy Eheleben
Image author: © Nadine Schmidt Rojas
Image rights: © Nadine Schmidt Rojas

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Prof. Dr. Sven Groß

Studiengangskoordinator Tourism and Destination Management

FB Wirtschaftswiss.
Tel +49 3943 659 279
Room 2.119, Haus 2, Wernigerode
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