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Foto-Ausstellung in der Wernigeröder Rektoratsvilla noch bis Ende Februar zu sehen

Bild: Künstler Tim Bruns und sein Mentor Prof. Martin Kreyßig freuten sich gemeinsam über zahlreiche Gäste anlässlich der Vernissage zur Ausstellung „Schöne neue Welt – Überall nichts Heiliges“.
Bild: Künstler Tim Bruns und sein Mentor Prof. Martin Kreyßig freuten sich gemeinsam über zahlreiche Gäste anlässlich der Vernissage zur Ausstellung „Schöne neue Welt – Überall nichts Heiliges“.
Absolvent zeigt Sehenswürdigkeiten vor dem Hintergrund von Massentourismus und Selbstinszenierung

Die Wände in der altehrwürdigen Rektoratsvilla der Hochschule Harz präsentieren aktuell die Werke eines ihrer Absolventen. Der Darlingeröder Tim Bruns stellt bereits zum zweiten Mal an seiner Alma Mater aus und präsentiert unter dem Titel „Schöne neue Welt – Überall nichts Heiliges“ einen ungewöhnlichen Blick auf globale Sehenswürdigkeiten und touristische Ikonen. Die Ausstellung ist noch bis Ende Februar 2016 montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr zu sehen, der Eintritt ist frei.

Mithilfe einer speziellen Technik - dem Blending - verschmelzen Bilder vom Grand Canyon oder Angkor Wat mit den unzähligen im Internet verfügbaren Ablichtungen ihrer selbst. Gleichzeitig steht die fotografische Selbstinszenierung der Touristen im Mittelpunkt. „Die massenhafte Reproduzierbarkeit, die Allgegenwärtigkeit von Fotografie, machen individuelles Erleben unmöglich. Alles wird zur Kopie seiner selbst, wird überlagert, löst sich auf, verliert alles Heilige“, erklärt der Künstler und Medieninformatik-Absolvent.

Schon bei der Vernissage im Dezember waren über 60 Interessierte auf den Wernigeröder Campus geströmt. Eine Einführung in Tim Bruns‘ Fotografie bot sein Mentor Prof. Martin Kreyßig. Der Hochschullehrer für Video und digitales Bewegtbild zitierte den ersten touristischen Text aus dem 13. Jahrhundert um zu erörtern, „warum Hunderttausende sich aufmachen, Kultstätten als touristische Destination zu erobern“. Schon jener Francesco Petrarca, ein italienischer Dichter und Humanist, habe gewusst, dass der staunende Weitgereiste sich oft selbst vergisst. Die ausgestellten Werke bezeugen, dass dies sogar noch steigerungsfähig ist, „indem die Menschen von sich selbst am Ziel, in der heiligen Zone, im Zimmer ihrer Wünsche, ein fotografisches Portrait anfertigen, um ein Artefakt als Trophäe mit nach Hause zu nehmen: Die Fotografie als Beweis ihrer Anwesenheit an geweihter Stätte, aufgeladen mit Hoffnungen, die von der Reiseagentur kommunizierte Ewigkeit des Ortes werde sich magisch wie eine zweite Haut auf sie übertragen“, so der Professor, der als Regisseur selbst künstlerisch tätig ist.

Ein zweiter Ausstellungsteil zeigt im Treppenhaus der Villa quadratische Naturstudien – durch das Social-Media-Auge. „Tim Bruns fotografiert ein Seestück und jagt das romantische Szenario durch die Filterkaskaden von Instagram. Diese werden von Informatikern programmiert und Marketingexperten entscheiden nach den Vorlieben der Nutzer, so entsteht eine Alchemie des Zufalls“, erklärt Kreyßig. Im dortigen „Niemandsland der Kunst“ gäbe es keine ästhetischen Überraschungen; Hobbyfotografen wollen aus dem Knipsbild ein künstlerisches Motiv kreieren, das ein wenig Individualität ohne gestalterisches Wagnis verspricht. Doch ein echter Künstler, so Martin Kreyßig, unterscheide sich gegenüber jenen, die lediglich ein paar Klicks wagen „in Suche und Ausdauer, in der Intensität, besonders im Zweifel, im Widerspruch und in der Aufrichtigkeit, ein Ergebnis immer neu zu befragen, zu verändern und zu verbessern bis die Entscheidung öffentlich werden darf – wie in der aktuellen Ausstellung.“

Tim Bruns (27) studierte von 2008 bis 2014 Medieninformatik an der Hochschule Harz und arbeitete unterdessen als Fotoassistent für Fashion Shootings, Werbekampagnen und Kunstprojekte in Tokio sowie als freiberuflicher Fotograf im Bereich Dokumentar- und Porträtfotografie. In Verbindung mit einem USA-Aufenthalt beschäftigt er sich aktuell mit dem Projekt „Brave new World“, das die heutige Lebenssituation der indigenen Bevölkerung beleuchtet. In Japan entstand das Fotobuch „Hitodama“, welches sich mit dem Thema Suizid auseinandersetzt und beim letztjährigen Belfast Photo Festival präsentiert wurde.