Frühwarnsystem aufbauen, Risiken analysieren

Die Betreuungszeiten im Vorfeld der Pflege ermöglichen der Kommunalverwaltung, den „Vereinbarkeitsbedarf“ ihrer Beschäftigten vorzubereiten. Dies ist ein wesentlicher Vorteil und Unterschied im Vergleich zur Kompensation von krankheitsbedingten Fehlzeiten. Eine spezifische Risikoanalyse in Verbindung mit einem Risikomanagement auf der Grundlage der vorhandenen Personalressourcen ist die Voraussetzung für eine solide Einschätzung des Bedarfs an einzelnen pflegesensiblen Instrumenten der Personalpolitik.

Für die Risikoanalyse sind zwei Faktoren entscheidend:

  • Informationen darüber, welche Beschäftigten in welchem Umfang gegenwärtig oder in Zukunft von Pflegeaufgaben betroffen sein könnten (Ausfallrisiko)
  • Bewertung der möglichen Vertretbarkeit pflegender Beschäftigter durch ein funktionierendes „Frühwarnsystem“

Die Risikoanalyse soll jene Beschäftigten identifizieren, die Arbeitsaufgaben allein verantworten oder Wissensbestände exklusiv „verwalten“ und deren pflegebedingter Ausfall für die Verwaltung besonders schwerwiegende Konsequenzen hätte.

Arbeitszeit flexibilisieren

Entscheidend für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die flexible Zeitsouveränität. Die gesetzliche Gewährung von Teilzeitansprüchen von pflegenden Beschäftigten kann auch mit Nachteilen für Arbeitgeber (Bedarf an Vertretung) und pflegende Beschäftigte (Einkommensverluste) verbunden sein. Besonders geeignete Instrumente der Arbeitszeitflexibilisierung:

  • qualifizierte Gleitzeit mit Aufhebung der Kernzeit
  • komprimierte Wochen-Arbeitszeit
  • Ausdehnung der Grenzen der Arbeitszeit (frühester Beginn, spätestes Ende)
  • spezielle Arbeitszeitkonten analog zu Familienpflegezeit ohne Begrenzung auf 24 Monate
  • verwaltungsinterne Suche-Biete-Systeme für Beschäftigte mit dem Wunsch nach Verkürzung bzw. Ausdehnung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit

Es bedarf nicht in jedem Fall gesonderter Arbeitszeitmodelle. Werden die Ansprüche von „Familienarbeit“ bei Urlaubsplanung, Überstunden und Dienstreisen berücksichtigt, kann für die Betroffenen bereits eine wirksame Entlastung erreicht werden.

Arbeitsort flexibilisieren

Die ortsunabhängige Zusammenarbeit wird durch die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen und die sich stetig erweiternden Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien begünstigt. Für die Umsetzung sind jedoch – neben eines allgemeinen organisatorischen Rahmens – konkrete Absprachen zwischen Vorgesetzten und pflegenden Beschäftigten notwendig. Es sind neben dem erwarteten Arbeitsergebnis, den planbaren Anwesenheitszeiten in der Verwaltung sowie der Festlegung der Erreichbarkeit/Kontaktmöglichkeiten innerhalb des Teams auch die Vorkehrungen dafür zu treffen, die eine Integration in das Team zu fördern und der sozialen Distanz vorzubeugen. Bürofreie Arbeit bietet auch für Führungskräfte und Beschäftigte mit hoher Präsenzpflicht Potenziale, um die Tätigkeit mit familienfreundlicher Flexibilität zu verbinden. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der „Gang zur Arbeit“ für pflegende Beschäftigte eine wichtige soziale Ausgleichsfunktion erfüllt und wesentlicher Teil der Strukturierung des Alltags in Arbeits-, Pflege- und Freizeit ist. Die Flexibilisierung des Arbeitsortes kann die positive Wirkung der Flexibilisierung der Arbeitszeit für die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege unterstützen, jedoch nicht ersetzen.

Wissen managen, Vertretbarkeit fördern

Die Handlungsfähigkeit der Verwaltung ist eng mit der Verfügbarkeit des Wissens von Beschäftigten während deren Abwesenheit verbunden. Daher ist ein Wissensmanagement Voraussetzung für die Vertretbarkeit abwesender Beschäftigter und ein zentrales Element der Risikovorsorge. Dies gilt insbesondere für pflegende Beschäftigte, die qualifikatorische Alleinstellungsmerkmale aufweisen. Geeignete Maßnahmen zur Förderung der Vertretbarkeit sind die regelmäßige Überprüfung der in Stellenbeschreibungen niedergelegten Vertretungsregelungen und ein regelmäßiger Wissenstransfer zwischen den sich Vertretenden. Daran anknüpfend sollte das Teilen, Dokumentieren und so ermöglichte Bewahren von Wissen strukturell verankert werden.

Auch die Nutzung eines Instrumentenkoffers „Wissensmanagement“ fördert die gegenseitige Vertretbarkeit. Mögliche Elemente des Instrumentenkoffers sind:

  • Anlegen/Pflegen von Aufgabenmappe
  • Stärkung von teamorientierter Gruppenarbeit
  • Temporäre Doppelbesetzung besonders wichtiger Stellen/Ausbildung von Springern
  • Bildung von Tandems | Verankerung des Prinzips „Zwei Projekte = Zwei Verantwortliche“ statt „Ein Projekt = ein*e Verantwortliche*r“
  • Bildung einer interkommunalen Flexibilitätsreserve zur Vertretung Beschäftigter mit qualifikatorischen Alleinstellungsmerkmalen, z. B. Anwender spezialisierter Software