Arbeitsalltag an einer Hochschule

Es ist selbstverständlich, dass ProfesorInnen und Dozierende den Studierenden in den Lehrveranstaltungen etwas beibringen und sie durch das Studium begleiten. Nicht alle Studierenden haben jedoch eine Vorstellung von der Spannbreite der Aufgaben ihrer ProfessorInnen.

Die Aufgaben werden in Deutschland von verschiedenen Gesetzen, Regelungen und Vereinbarungen bestimmt. Das bundesweite Hochschulrahmengesetz gibt einen Rahmen für die dienstlichen Aufgaben an Universitäten und Hochschulen vor. Nach dem Grundgesetz (Art. 5, Abs. 3) fällt das Hochschulrecht jedoch in den Aufgabenbereich der Länder, so dass detaillierte Informationen zu den Aufgaben in den jeweiligen Landeshochschulgesetzen festgeschrieben sind. Ein Vergleich dieser Hochschulgesetze zeigt, dass die Aufgaben variieren – eine genaue Aufgabenbeschreibung existiert folglich nicht. Sie können darüber hinaus individuellen vertraglichen Vereinbarungen unterliegen, v.a. an privaten Hochschulen und für ProfessorInnen mit der sog. W-Besoldung an staatlichen Hochschulen. Nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick über mögliche Aufgaben an deutschen Universitäten und Hochschulen, die den Bereichen Forschung, Lehre, Selbstverwaltung sowie Wissens- und Technologietransfer zugeordnet werden.

Abbildung 1: Aufgabenbereiche und Aufgaben einer/eines (Tourismus-)Professorin/s

Quelle: Groß 2021, S. 180

Grundsätzlich lassen sich Aufgaben in den Semesterzeiten voneinander abgrenzen, so wie bei den Studierenden auch. Eine Untersuchung aus dem Jahre 2018 zeigt auf, dass deutsche TourismusprofessorInnen – nach eigenen Angaben – in der Vorlesungszeit durchschnittlich 46,7 h pro Woche arbeiten und in der vorlesungsfreien Zeit 38,2 h. Während in der Vorlesungszeit (48,7% bzw. ca. 22-23 h) die meiste Zeit mit der Lehre verbracht wird, nimmt die Forschung mit einem Anteil von 32,5% der Gesamtarbeitszeit in der vorlesungsfreien Zeit, bezogen auf die Sommersemesterferien 2018, bei den meisten TourismusprofessorInnen den größten wöchentlichen Stundenanteil ein (ca. 12-13 h). Innerhalb der Vorlesungszeit sind die für die akademische Selbstverwaltung und Forschung genutzte Zeit ungefähr gleich groß (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Stundenanteile der Tätigkeitsbereiche (geschätzt)

Quelle: Groß 2021, S. 185 (n = 72)

In den Aufgabenbereich Lehre fallen die Vorbereitung und Durchführung der Lehrveranstaltungen, die Betreuung der Studierenden (v.a. für Präsentationen, Hausarbeiten und Abschlussarbeiten, in Gesprächen vor und nach den Lehrveranstaltungen oder in der Sprechstunde) und die Abnahme der Prüfungen. Hierzu gehört auch die Beantwortung von E-Mails, Austausch über (hochschulinterne) Messenger-Dienste usw. Aufgrund von einer Lehrverpflichtung an sachsen-anhaltinischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) von 16 h pro Woche, finden die Lehrveranstaltungen bei vielen KollegInnen meist an drei Tagen pro Woche statt.

In den ersten Jahren einer ProfessorInnen-Tätigkeit ist der Zeitaufwand für die Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltungen höher als für erfahrene Dozierende – nach den ersten Durchläufen lässt sich feststellen, welche Inhalte wirklich in den Kurs passen, wie gut sie angekommen sind, ob es Dopplungen mit anderen, ähnlichen Kursen gibt usw. Somit werden die Kursinhalte (meist) angepasst und neue ProfessorInnen sind in den ersten Semestern stark mit dem Aufbau der Lehre beschäftigt.

Neben der Lehre steht in der Vorlesungszeit v.a. die akademische Selbstverwaltung im Mittelpunkt der Arbeit. Die Mitarbeit in Hochschulgremien (wie z.B. der Prüfungsausschuss, Fachbereichsrat, Senat und die dazu gehörigen Kommissionen), Absprachen mit dem Kollegium (in persönlichen Gesprächen und bei Sitzungen), Berichtspflichten (z.B. Forschungsbericht, Jahresbericht des Instituts für Tourismusforschung) und die Mitwirkung an der Auswahl von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen sowie bei Berufungen von neuen HochschullehrerInnen nimmt Zeit in Anspruch. Dies kann nicht nur die eigene Hochschule betreffen, sondern auch in Kooperation andere Hochschulen (z.B. Gutachten für Berufungsverfahren). ProfessorInnen mit einer speziellen Funktion (u.a. DekanIn, Prüfungsausschussvorsitzende/r, Studiengangskoordination) haben darüber hinaus Zeit für diese Ausübung aufzuwenden. Bei der Studiengangskoordination fallen neben der Betreuung der Studierenden und den laufenden Aufgaben (z.B. Absprachen für Auslandssemester, Praktika usw., Beantwortung von Anfragen, Erstsemesterbegrüßung, Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Flyer, Website, Videos, Tag der offenen Tür, ViSit), Kennenlernen und Auswahl der neuen Studierenden) auch sporadische Aufgaben an. Hierzu zählt bspw. die (Re-)Akkreditierung des Studienganges, die Durchführung von Workshops zur Verbesserung des Studienangebotes, der Besuch von (potentiellen) Partner-Hochschulen und von Informationsveranstaltungen außerhalb der eigenen Einrichtung, wie z.B. an (Berufs-)Schulen, bei der Arbeitsagentur oder auf Messen und Tagungen.

Somit bleiben im Semester wöchentlich 1-2 Tage, an denen mehr Zeit für die Akquise und Durchführung von Projekten, der Durchführung von Primärerhebungen, der Erstellung von Publikationen, Vorträgen und/oder Gutachten (z.B. für Fachzeitschriften, für Institutionen der Forschungsförderung) usw., d.h. den Aufgabenbereich Forschung, vorhanden ist. Die Kontaktpflege zu vorhandenen und neuen Kooperationspartnern in der Region oder in (inter-)nationalen Netzwerken, die Teilnahme an Diskussionsrunden oder Veranstaltungen mit der (Tourismus-)Wirtschaft und -Politik, die Mitarbeit in Beiräten, Jurys usw. finden sich im Aufgabenfeld „Wissens- und Technologietransfer“ wieder.

In der vorlesungsfreien Zeit stehen zunächst die Prüfungen an, die an der Hochschule Harz schwerpunktmäßig im 3- bis 4-wöchigen Prüfungszeitraum stattfinden. Zum einen geht es hierbei um die Erstellung der eigenen Klausuren oder Fragen für mündliche Prüfungen und zum anderen um die Aufsichten von den Klausuren mit mehreren hunderten Prüflingen, die neben der eigenen Klausuren beaufsichtigt werden müssen. In diese Phase fallen auch die Korrektur der Hausarbeiten, Praxissemesterberichte und Klausuren, die Notenmeldung sowie ein Feedback an die Studierenden – ggf. findet dieses auch im nächsten Semester statt (z.B. durch eine Klausureinsicht oder persönlichen Rücksprache). Die Korrektur dauert Stunden über Stunden und es werden bei den Klausuren meist die gleichen Inhalte gelesen.

Die Begutachtung von Abschlussarbeiten und die dazu gehörigen Kolloquien finden zwar rund ums Jahr statt, aber sie ballen sich häufig zum Ende eines Semesters in der vorlesungsfreien Zeit, da die Studierenden noch gerne fertig werden möchten.

Für die Aufgaben in der Forschung (und Beratung) kann in den Semesterferien mehr Zeit aufgewendet werden. Generell ist die Fremdbestimmung durch feststehende Termine (v.a. Lehre und akad. Selbstverwaltung) in dieser Zeit geringer, so dass – je nach eigener Motivation, Anspruch an sich selbst usw. – einiges bewegt werden kann. Aufgrund einer Urlaubssperre in der Vorlesungszeit hat der Lehrkörper seinen Urlaubsanspruch auch in dieser Zeit zu nehmen.

Mein Fazit nach langjähriger Tätigkeit als Professor fällt wie folgt aus: Der Job ist vielschichtig, abwechslungsreich und der Kontakt zu den Studierenden hält einen jung. Er lässt darüber hinaus zu, dass bei entsprechender Initiative eigene Schwerpunkte gesetzt werden können und das lebenslange Lernen am eigenen Leibe nachvollzogen werden kann. Auch wenn ich als Student nie an eine Laufbahn als Professor gedacht habe, bin ich froh und dankbar über die Möglichkeiten der letzten Jahre. Ich möchte junge Studierende (unserer Hochschule) ermutigen, dass sie sich mit dieser Option auseinandersetzen und vielleicht schlägt ja auch die/der ein/e oder andere diesen Weg ein.

Prof. Dr. Sven Groß


Quelle: Groß, S. (2021): Tourismusforschung in Deutschland – Eine empirische Untersuchung von TourismusprofessorInnen an deutschen Hochschulen, in: Brandl, S., Berg, W., Herntrei, M., Steckenbauer, G.C., Lachmann-Falkner, S. (Hg.): Tourismus und ländlicher Raum – Innovative Strategien und Instrument für die Zukunftsgestaltung, S. 177-196.


14.09.2022

Autor/Autorin:
Prof. Dr. Sven Groß

 

 

 


 

 

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