Ein Moment zwischen Augenblick und Ewigkeit
„Komm, wir treffen uns an der Tasse“ ist seit fast 25 Jahren der größte – und für Außenstehende wohl verwirrendste – Insider an der Hochschule Harz. Studierende wissen sofort, wohin sie gehen müssen, wohingegen externe Besucherinnen und Besucher erst einmal eine Erklärung benötigen.
Doch was soll dieses rätselhafte Kunst-Ensemble darstellen? Trotz der Beliebtheit an der Hochschule, ist vielen die Entstehungsgeschichte unseres inoffiziellen Wahrzeichens nicht bekannt.
Im Jahr 1996 plante die noch junge Hochschule einen Brunnen auf dem Platz vor Haus 4, der 1998 fertiggestellt wurde. Prof. Andreas Theurer, damals Dekan am Fachbereich Design der Hochschule Anhalt in Dessau übernahm das Projekt. Um ein passendes Kunstwerk für den Standort Wernigerode zu errichten, wollte der studierte Bildhauer Elemente einbauen, die er mit der Hochschule Harz und dem Lebensabschnitt „Studium“ in Verbindung brachte. Einer seiner ersten Gedanken war dabei eine Kaffeetasse – vielleicht auch wegen der vielen schlaflosen Nächte während der Klausurenphase?
Der offizielle Name des Ensembles lautet „Zwischenspiel“. Es zeigt die ikonische Kaffeetasse neben übergroßen Zuckerwürfeln und einem Reiseschachbrett. „Die Zeitdimension spielt eine wichtige Rolle – sie ist in der Sekunde, in der die Tasse kippt, stehengeblieben. Somit wird der Moment zwischen Augenblick und Ewigkeit festgehalten“, so der Künstler.
Daneben legte er ebenfalls Wert darauf, Elemente der Natur einzubauen: „Der Brocken und die Form des Harzes inspirierten die Faltungen im Schachbrett. Das Spiel steht für Beweglichkeit im Denken und zeigt die geistige Dimension des Lebens an der Hochschule. Insgesamt entsteht durch das Zusammenspiel der Elemente ein eigener Kosmos, eine eigene Welt.“
Die Skulptur gilt als Herzstück des Campus. Um einen Ruhepol zwischen dem hektischen Studienalltag zu schaffen, befindet sich das „Zwischenspiel“ auf einer Rasenfläche. „Ich hatte gehofft, dass sich Studierende auf dem Schachbrett, das gleichzeitig ein ausgebreitetes Tuch auf grüner Wiese ist, sonnen und sich an der Tasse verabreden. Die ungewöhnliche Dimension wird ja erst lesbar, wenn sie im Verhältnis zum menschlichen Maßstab steht“, so Theuer.
Regelmäßig kehren auch Alumni auf den Campus zurück und besuchen ihren Stein im benachbarten „Walk of Fame“. Es ist ein Ort, der Erinnerungen weckt und an dem sie ehemaligen Kommilitonen an der „Tasse“ treffen können – eben ein Moment zwischen Augenblick und Ewigkeit.
Im Jahr 2013 kam es zu einem kleinen Schockmoment. Die Tasse war verschwunden! Wurde das massive Kunstobjekt gestohlen? Oder landete das übergroße Gefäß, wie einige Studierende witzelten, im Geschirrspüler? Nein, alles halb so schlimm. Die Skulptur wurde in einer Berliner Kunstgießerei restauriert, da sich an der Innenseite feine Risse gebildet hatten. Nach einigen Monaten kehrte sie schließlich an ihren angestammten Platz zurück.
Auch im Jahr 2022 ist die Tasse wieder verschwunden – diesmal allerdings nur eingehüllt, damit sie aufgrund der Bauarbeiten am Campus Zentrum nicht beschädigt wird.
01.04.2022
Autor/Autorin: Eileen Demangé
Fotograf/Fotografin: © Hochschule Harz
Bildrechte: © Hochschule Harz