Wie generative KI das Lehren und Lernen an Hochschulen verändert

Dozentin und Studierende der Hochschule Harz erforschen die Einflüsse künstlicher Intelligenz auf den Studienalltag

Warum schwere Lehrbücher wälzen, wenn Fakten und Hintergründe ganz einfach per Knopfdruck am Computer abgerufen werden können? Warum viel Zeit in das Schreiben einer Hausarbeit stecken, wenn Tools wie ChatGPT beim Strukturieren und Ausformulieren helfen? Künstliche Intelligenz bietet enorme Vorteile im Studienalltag, bringt aber auch neue Herausforderungen für Lernende und Lehrende mit sich. Wie genau sich dieses Zusammenspiel verändert und welche Verantwortung mit dem Nutzen von KI-Tools einhergeht, hat Stefanie Krause, Dozentin am Fachbereich Automatisierung und Informatik und Promovendin am Promotionszentrum „Ingenieurwissenschaften und Informationstechnologien“, gemeinsam mit den beiden internationalen Masterstudierenden Bhumi Hitesh Panchal und Nikhil Ubhe im Rahmen einer Projektarbeit erforscht.

Eigene Lehrerfahrung inspirieren zum Forschungsthema

„Im vergangenen Jahr ist mir in meinen Lehrveranstaltungen aufgefallen, dass Studierende die vorhandenen KI-Tools ganz unterschiedlich verwenden. Während einige sie besonders stark nutzen, haben andere kaum einen Zugang dazu und wissen gar nicht, was diese Technologien alles können“, sagt Stefanie Krause. „Ich habe deshalb angefangen, die Tools in meinen Vorlesungen vorzustellen und zu erklären, wie diese beim Lernen oder beim wissenschaftlichen Arbeiten eingesetzt werden können und vor allem, wo die Grenzen liegen.“ Damit meine sie nicht nur technische Möglichkeiten, sondern auch ethische Aspekte.

Da das Thema sie persönlich beschäftigte, wollte sie ihre Beobachtungen aus wissenschaftlicher Sicht überprüfen und stellte die Erforschung des Nutzungsverhaltens ins Zentrum der von ihr begleiteten Projektarbeit. Ein Semester lang ging sie zusammen mit zwei Studierenden den Fragen nach, wie häufig Studierende generative, also Inhalte erzeugende KI-Tools verwenden, für welche Zwecke sie diese einsetzen und aus welchen Gründen sie dies tun. Die Ergebnisse hat sie auf der Internationalen Konferenz über Künstliche Intelligenz in der Bildungstechnologie vorgestellt, demnächst wird der Beitrag im Springer-Verlag erscheinen.

KI-Tools sind bei Studierenden sehr häufig im Einsatz

Grundlage der Arbeit bildet eine Umfrage unter 130 Studierenden der Hochschule Harz, von denen 115 bereits KI-Tools genutzt haben und die daher für die Analyse herausgefiltert wurden. „Ein Zehntel hat Programme wie ChatGPT, Gemini oder Copilot bislang nur ausprobiert, die große Mehrheit ist dagegen sehr vertraut mit den Technologien“, fasst Stefanie Krause zusammen. 46 Prozent gaben an, die Tools bei Bedarf mehrmals im Monat einzusetzen, beispielsweise bei nahenden Deadlines für Hausarbeiten oder Laborberichte. Wöchentlich nutzen 37 Prozent der Befragten gängige KI-Tools, weitere 8 Prozent sogar täglich. Die Anwendungsfälle reichen von reiner Information und Brainstorming bis hin zu intensiver Prüfungsvorbereitung und Unterstützung beim Schreiben von Essays.

„Die Studierenden gaben als Grund der Nutzung vorwiegend an, dass sie dank ChatGPT und ähnlichen KI-Assistenten sehr viel Zeit sparen und damit den Stress in ihrem Studienalltag reduzieren können“, sagt Stefanie Krause. „Gleichzeitig gab es einige Befürchtungen, dass die Fähigkeit zum kritischen Denken durch die häufige Anwendung zurückgehen könnte. Insgesamt fühlte sich die Mehrheit der Befragten aber sehr wohl, die KI-Tools für Bildungszwecke einzusetzen und hatte weniger Sorgen, dass dies problematisch sein könnte.“

Verantwortungsbewusster Umgang mit KI als Lehrinhalte

KI-gestützte Programme hätten jedoch nicht nur positive Effekte, meint die Promovendin. „Das ausgeprägte Nutzungsverhalten der Studierenden zeigt, wie wichtig es ist, das Thema in die Lehre einfließen zu lassen und den jungen Menschen beizubringen, wie sie die virtuellen Assistenten verantwortungsvoll einsetzen können“, betont Stefanie Krause. „Das muss aus meiner Sicht unbedingt von uns Lehrenden ausgehen, angepasst auf den jeweiligen speziellen Anwendungsfall im Fachbereich oder konkreten Studienfach.“ Denn dass KI-Tools nicht immer glaubwürdige Informationen liefern, hat Stefanie Krause bereits in einer vorherigen Forschungsarbeit nachgewiesen.

Fragen zum Einsatz von KI bei Prüfungsleistungen müssten ebenso geklärt werden, zudem sollte ihrer Meinung nach über die Form der Leistungserbringung nachgedacht werden. „Wenn man als Prüfer nicht mehr unterscheiden kann, ob eine klassische Hausarbeit mit oder ohne KI-Unterstützung geschrieben wurde, dann ist die Note wenig aussagekräftig und fair. Aufgaben, bei denen kritisches Denken statt die Wiedergabe gesammelter Informationen gefragt ist, sind aus meiner Sicht langfristig geeignter“, gibt sie zu bedenken.

Blick in die Zukunft des Lernens

Um die potenziellen Einflüsse von generativer KI auf die Bildung noch greifbarer zu machen, hat sich das Autorenteam mit möglichen Zukunftsszenarien beschäftigt. Dabei werden denkbare positive und negative Effekte jeweils aus Sicht der Studierenden und der Lehrenden aufgezeigt, abhängig von der Intensität des Nutzungsverhaltens und dem Grad des Verantwortungsbewusstseins. „Eine hohe Nutzung führt in unserem Szenario beispielsweise zu einer reduzierten Arbeitsbelastung auf beiden Seiten, zieht aber ebenso eine notwendige Neuausrichtung der Bewertungskriterien nach sich und kann im schlechtesten Fall die Unehrlichkeit seitens der Studierenden fördern“, merkt Stefanie Krause an. „Eine geringe Nutzung kann die menschliche Interaktion und auch das kritische Denken fördern, was sehr positive Faktoren sind. Andererseits wird das große Potenzial im Bildungssektor nicht mal ansatzweise ausgeschöpft, was dem Anspruch an eine moderne Lehre widerspricht.“

Eine Empfehlung für eine ausbalancierte Nutzung von KI-Tools biete die Fortschungsarbeit bewusst nicht. Die Betrachtung der Szenarien solle zum Nachdenken über die Beziehung von Hochschulangehörigen zu KI-Tools und deren Rolle in der Bildung anregen. „Nur wenn wir die positiven und auch negativen Auswirkungen verstehen, können wir die Kraft der KI wirksam nutzen, um den Weg für eine besser informierte und befähigtere Generation von Lernenden zu ebnen“, ist sich Stefanie Krause sicher.

 

Bhumi Hitesh Panchal

25 Jahre, aus Indien, studiert seit September 2022 Technisches Innovationsmanagement

„Generative KI ist derzeit ein sehr präsentes Schlagwort. Für mich war es äußerst interessant zu erfahren, wie künstliche Intelligenz eingesetzt wird. Die Projektarbeit war daher eine großartige Gelegenheit, die Anwendung zu analysieren und einige konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich selbst nutze ChatGPT, Google Bard und Microsoft Copilot hauptsächlich zum Verstehen von Konzepten, für Zusammenfassungen, zum Übersetzen, für einige programmierbezogene Dinge und zur Ideenfindung. Generative KI wird bleiben, und es ist besser, wenn wir sie verantwortungsvoll und ethisch korrekt anwenden.“

Nikhil Ubhe

25 Jahre, aus Indien, studiert seit September 2022 Technisches Innovationsmanagement

„Generative KI ist ein sehr aktuelles Thema, bei dem ich selber noch viel dazulernen kann. Deshalb habe ich mich für die Projektarbeit angemeldet. Mich interessiert vor allem, welchen Einfluss die Technologie auf das kritische Denken hat. Ich selbst nutze Tools wie ChatGPT sehr gern für Recherchen, weil es mir hilft, Zeit zu sparen. Im Gegensatz zu den sehr langen Ergebnis-Listen über eine Google-Suche bekomme ich hier konkrete Daten ausgespielt, die schon vorsortiert und zusammengefasst sind. Dass unsere Arbeit zu diesem mir persönlich wichtigen Thema nun auch veröffentlicht wird, ist sehr aufregend für mich, weil es meine erste wissenschaftliche Publikation ist.“

15.10.2024
Autor/Autorin: Karoline Klimek
Fotograf/Fotografin: © Karoline Klimek
Bildrechte: © Hochschule Harz

Themen:

Teilen:

Stefanie Krause

Dozentin und Promovendin

FB Autom. u. Inform.
Tel +49 3943 659 306
Raum 3.102, Haus 3, Wernigerode